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Wie unabhängig kann ein Spiegel sein, wenn er versucht, ein guter Spiegel zu sein?

Aktualisiert: 9. März 2020


No risk - more fun

Zweiter Sponsor gefunden

Oder: Das Deal-Dilemma

Wie unabhängig kann ein Spiegel sein, wenn er versucht, ein guter Spiegel zu sein?


Wir haben eine gute Nachricht für Conscious Evolution zu verkünden.

Und ein Dilemma, das uns gerade sehr beschäftigt:

Der innere Deal. Sprich: der unemanzipierte Teil in uns, der sich zeigt, wenn plötzlich Geld fließt.


Wenn man das Essay versteht, dann versteht man, verkürzt gesagt, dass aus dieser Sicht womöglich eben all unser Denken und Handeln geprägt ist von dem, was neben Erich Fromm und R.D. Laing auch Dieter Duhm in seinen längst vergangenen akademischen Arbeiten einst als das Kleinkrämertum im entfremdeten Kapitalismus enttarnte: Das andauernde ergebnis- und tauschorientierte Zwangsdenken des entfremdeten Menschen in einer kranken, weil unnatürlich organisierten Gesellschaft.

(Mehr dazu findet sich hier!)


Die Entfremdung und ihre Dealmentalität, kurz: die Struktur, die immer unbemerkt im Hintergrund operiert, prägt uns alle, so die These. Und alle, das bedeutet eben freilich auch uns.

Dieses Wissen allein reicht nicht. An diesem Punkt zu verharren im Irrglauben, weil man es wisse, sei man dagegen gefeit, nennen wir den ‚Autonomievorbehalt‘ und die ‚pseudoreflektierte Struktur‘. Es enttarnt sich als bewusstes Trinken: Ich weiß um die Gefahr, aber dieses eine Bier kann ich mir erlauben.

Stattdessen bedarf es also konkreter emanzipatorischer Handlung. Etwas krude im Bild geblieben, stellt sich damit die Frage, wie kommt man ohne zu Saufen heil aus der Kneipe raus?


Um diese Struktur aufzudecken, zu verstehen, und im praktischen Experiment Handlungsalternativen zu erproben, gibt es das Königskartenspiel. Nach Jahren der Praxis können wir es heute zweifelsohne als eine wirklich kontrasterhöhende Methode bezeichnen.

Ist der Blick dann erst einmal geschärft, erkennt man diese ständig nach Wert und Gewinn trachtende Struktur quasi überall, selbstredend eher im Anderen, aber eben manchmal auch in sich selbst.


Mit so einem Fall sehen wir uns gerade konfrontiert, und derzeit knobeln wir intensiv daran, wie wir damit umgehen wollen.

Dies vor allem im Hinblick auf diverse Anfragen von recht großen Gemeinschaften, die mit uns das Spiel spielen wollen oder Coachings anfragen. Die Frage, die sich stellt, wie weit dürfen und vor allem können wir kompromissbereit sein, ohne uns in co-abhängige Deals zu verstricken?

In gewisser Hinsicht ähnelt die Konstellation dabei dem Streit zwischen Fundis und Realos bei den Grünen in den Achtzigern.

Die Realpolitik setzte sich in vorgeblich bester Absicht durch, man war beteiligt an Regierungen, wurde systemkonform und die einst visionierte, wirklich nachhaltige Wirtschafts- und Umweltpolitik des geforderten Nullwachstums konnte nicht etabliert werden. Was bleibt ist ein Atomausstieg, der nicht stattfindet, weil der billige Atomstrom dann eben aus dem Ausland importiert wird, und der Grüne Punkt mit seinen Inseln von Plastikmüll in den Weltmeeren. Und nicht nur dort.


Konkret sind wir also damit konfrontiert, was wir die komplexe Strukturerweiterung nennen, also damit, dass das System anscheinend, sich jedwede Gegenbewegung durch Kommerzialisierung einverleibt.

Große Gemeinschaften wollen mit uns spielen, das weckt Interesse und Libido, und eben Sehnsüchte: Wie gern würden wir es doch sehen, dass es eine Gemeinschaft gibt, die sich konsequent den aus unserer Sicht tödlichen Themen der verdeckten Hierarchiebildung, der Unterwerfungsstruktur, der Angst vor dem Ausgestoßenwerden und der Deal-Mentalität widmeten, um letztlich auch für uns endlich einen sicheren Hafen zu finden.

Und weil eben auch wir habituell Opfer sind, merken wir die Übergriffigkeit, die heimliche Installation von Machtanspruch erst spät, manchmal wahrscheinlich sogar gar nicht. Da führten wir beispielsweise mit zehn Menschen aus einer dieser Gemeinschaften eine Telefonkonferenz, und erst an deren Ende wird uns mitgeteilt, dass man das Gespräch aufgenommen habe. Ein illegaler Vorgang, wie das unerwünschte Anfassen einer Brust. Aber, so denken wir, letztlich doch nicht so schlimm, kann man drüber wegsehen, schadet ja nicht, war ja nicht bös‘ gemeint ..., exakt gleich dem Denken anderer Opfer von Übergriffigkeit.

Und wie kommt man denn aus so einer Schleife wieder heraus und auf Augenhöhe? Wie sieht da Emanzipation aus, wenn der naheliegende Kontaktabbruch nicht die gewünschte Lösung sein kann, weil er eben kategorisiert in „wir“ und „die anderen“, in Täter und Opfer?


Spannend daher, der eigenen Deal-Mentalität nachzuspüren. Und dazu hatten wir in der Folge gute Gelegenheiten:

Einmal gibt es eben jetzt den zweiten Sponsor.

Zum anderen hat sich jemand gefunden, der sich von uns Coachen lassen will.

Beides wirft die Frage auf, in welche emotionale wie auch finanzielle Abhängigkeit dürfen wir uns eigentlich vorwagen?

Während unser erster Sponsor einfach zur Projektunterstützung monatlich 5 Euro überweist und ansonsten mit uns persönlich nichts zu tun hat, uns also in keinerlei auch noch so subtiles Abhängigkeitsverhältnis manövrieren kann, sponsert nämlich der zweite Projektfreund für ein ganzes Jahr einen Großteil unserer Miete. Außerdem sind wir durch das Projekt und eine langjährige Bekanntschaft auch noch persönlich verbandelt. Und nicht zuletzt, er wohnt obendrein noch am gleichen Ort.

Kann man da unabhängig bleiben? Merkt man überhaupt, beispielsweise, wenn man zu einem privaten Treffen keine Lust hat, und wenn man es merkt, traut man sich dann, ein Nein zu geben? Denn was, wenn man ihn verärgert und er den Geldhahn wieder zudreht?

Kurz, funktioniert eine gesunde Emanzipation durch eine Dauerspende dieses Gewichtes vielleicht nicht mehr?

Und, das ist das eigentlich Spannende, nach der bestmöglichen Einschätzung hängt beim Spendengeber gar kein Deal dran!

Das ändert allerdings an der Verstrickung nichts, denn durch die Spende werden wir vor unserem Inneren Bewerter in den Stand eines kontinuierlich laufenden Projektes erhoben. Wir „müssen“ also im Namen der Evolution tätig sein und quasi so etwas wie innerliche Rechtschaffenheitsberichte anfertigen ... zumindest innerlich sind wir damit in der Mühle des Systems des Produktions- und Ergebniszwangs. Und wie Duhm ganz richtig festgestellt hat, in sozialen Kontexten ist die Emanzipation des einen ist ohne die des anderen nicht möglich.


Jetzt würde man vielleicht denken, dass die Problematik doch gelöst wäre, wenn die Spende als ein Batzen gegeben würde, zumindest müsste man da ja doch nicht mehr immer aufs Neue gefallen wollen. Und der Gedanke ist auf den ersten Blick auch keineswegs abwegig. Im konkreten Fall fehlt dafür dem Spendengeber allerdings das notwendige Kapital. Der tritt nämlich nach erfolgreichem Studium seine erste Stelle an und hat eine bemerkenswerte Logik mit der ihm das Geldgeben leicht fällt: „So viel Geld hatte ich noch nie, wenn ich von Anfang an gleich etwas weggebe, kann es mir nicht fehlen.“

Entsprechend sind wir aber dann beim Coaching so verfahren: Wir bekommen für einen klar vereinbarten Zeitraum eine von dem Klienten selbst bestimmte, nicht unerhebliche Menge Geld im Voraus. Deklariert als Spende an das Projekt.

Die ist so hoch, dass wir uns nicht ausrechnen können, sie im vereinbarten Coaching-Zeitraum ernsthaft zu verdienen. Das macht uns also zumindest von der eigenen monetären Bewertung anscheinend unabhängig.

Trotzdem geschieht unweigerlich das gleiche wie im Fall mit der Miete, denn wir, genaugenommen, die Deal-Mentalität, will sich würdig erweisen, nichts schuldig bleiben, sprich es irgendwie, ganz subtil, eben doch wert sein. Der Versuch der Trennung, dass das Coaching kostenlos und die Spende davon unabhängig sei, ist innerlich nicht in vollem Umfang gelungen.

Und wie unabhängig kann denn dann ein noch Spiegel sein, wenn er versucht, ein guter Spiegel zu sein?

Wie sollen wir da noch die Unabhängigkeit bewahren, den Finger und das Salz in die schwärende Wunde reiben, sollten wir die überhaupt finden? Findet man, wenn man sucht mit dem Druck, finden zu müssen? Unweigerlich verlässt man doch so die Freiheit der Prozessorientiertheit und landet in der systematischen Falle der Ergebnisorientierung.


Wenn man sich da ein bisschen reinspürt und unseren Ansatz kennt, wir glauben, das Dilemma liegt zweifelsohne auf der Hand.

Wäre die Höhle im Himalaya angesichts der globalen Lage nicht ein unfassbar egozentrierter Luxus, es wäre jetzt eindeutig Zeit für Eskapismus, ab ins Kloster und der Welt entsagen. Im wahrsten Wortsinne reaktionär.


Wir haben aus diesen Überlegungen heraus jetzt ein Experiment gemacht. Eine Übung darin, dass wir weiter das tun, was wir für richtig halten, ohne dass es uns unmittelbar zu Gute kommt:

Wir haben dem Klienten bis auf einen Euro das Geld zurücküberwiesen. Der eine Euro ist der symbolische Austausch.

Ihm steht natürlich frei, den Betrag, oder einen anderen, erneut zu überweisen, aber dann ist es auch innerlich nicht mehr die Vergütung des Coachings, sondern eine wirklich freie Spende an Conscious Evolution als Projekt.

Das ist, so glauben wir, ein unglaublich befreiender Vorgang auf beiden Seiten:

Wir haben zunächst durch das Geld sichergestellt, dass da jemand wirklich die Kontrolle loslässt, also überhaupt einmal coachingfähig wird. Gleichzeitig haben wir tief in unsere innere Verstrickung geschaut, und durch das aktive Handeln jetzt befreit von dem Wertaustausch glatt noch mehr Lust, das Coaching zu machen. Intrinsisch motiviert, weil es richtig ist und wir es gern tun, nicht veranlasst (und eingeengt) durch äußeren Anreiz.

Und obendrein, es ist ja letztlich schon das Coaching an sich, oder ein Teil davon, denn jetzt ist auch er frei, das zu geben, was er wirklich geben will. Er kam ja nicht zu uns ohne Anliegen und einen gewissen Druck zur Veränderung, und natürlich kennt seine Struktur das Abhängigkeitsverhältnis Coach-Klient aus eigener Erfahrung. Mit einer egal wie verbrämten Bezahlung bleiben wir also auch auf seiner Seite innerhalb der bekannten Strukturen.


Dass sich mit der Rückzahlung natürlich unserer Theorie nach (und wahrscheinlich auch real) das Problem auf der nächst komplexeren Ebene reproduziert, liegt freilich auf der Hand.

Das wissen wir, und wir haben es Guruparadox genannt. Und eben drum versuchen wir dem nicht zu entkommen. Es geht eben ums Sichtbarmachen, ums Erkennen und verstehen, nicht ums endgültige Lösen.

Es bleibt also dabei, die Emanzipation des Einzelnen ist ohne die des anderen nicht möglich. Und die gleichzeitige Emanzipation, so scheint es, ist ein Prozess des sich gegenseitig Wachrüttelns. Ein sich immer wieder aufrecht Hinstellen, eine Art Freischaukeln wie bei einem festgefahrenen Auto. Ein längerfristiger Prozess also, die „Selbsthilfegruppe als politische Aktion“, wie ein Kapitel des Buches es so treffend überschrieben ist.

Und dass, so sieht es aus, einzig das wäre aus unserer Sicht die Grundlage für eine nachhaltige Gemeinschaft, auf die wir uns einlassen wollen, die Erkenntnis, dass es alleine eben nicht funktionieren kann. Eine Gemeinschaft, die wir leider, aber konsequenter Weise, wohl nicht selbst federführend initiieren dürfen, wir säßen damit ja mitten drin im Paradox ...


Unsere Idealvorstellung der Projektfinanzierung ist entsprechend etwas ganz anderes, nämlich einen Unterstützerkreis zu etablieren, die uns durch regelmäßige Kleinstspenden unsere Arbeit ermöglichen wie bei einem Verein. Dann können wir jederzeit zu Spielen kommen, in Prozessen intervenieren, und müssen auch nicht mehr diesen Abrechnungsquatsch machen mit dem Bezahlen von Anfahrt und Aufenthaltskosten. Und wir können dann jeden coachen, der ein wirklich unabhängiges Coaching will. Wir wären in der Fülle des Gebens ohne, dass jemand dadurch einen ernstzunehmenden Nachteil hätte.

Und es gibt wohl kaum jemanden unter uns, der es ernsthaft bemerken würde, wenn er eine regelmäßige Spende überweisen würde, die sein Budget nicht strapaziert.

Aber, und deswegen ist ja eben nicht „die Liebe Thema Nummer eins“, sondern die Kontrolle: Geld, Besitz, Liebe, Natur, Ressourcen, all das sind die Dinge, an die sich die kranke Kontrollfreakstruktur, das traumatisierte Mangeldenken, sofort anhaftet, mit jeweils individueller Gewichtung.

Eben auch im Innern.

Leider ist das also noch nicht so weit, und da ist es manchmal schwer, konsequent zu bleiben, wenn es oft scheint, dass man durch Kompromisslosigkeit dazu verdammt sein könnte, ein Leben in sozialer Marginalisierung zu leben. Oder, schlimmer noch, ganz ins Normale abzudriften, um mit konventioneller Lohnsklavenarbeit die Miete für ein Dach über dem Kopf zu erdingen, das ein artgerechtes Miteinander in Wahrheit gar nicht erst ermöglicht.

Da hilft es manchmal auch nicht, zu wissen, dass das Erreichen der Fülle eben ein Mehrgenerationenprojekt sein muss.

Alles andere, das wundersame Feld, das plötzlich umschlägt, ist aller Wahrscheinlichkeit angstvermeidendes Wunschdenken, den so oft bemühten hundertsten Affen hat es jedenfalls nie gegeben. Was es gibt sind Leute, denen man sowas vorkaut und die dann ohne Sachkenntnis und Überprüfung in missionarischen Eifer verfallen wie bei jeder Religion, ein weit verbreitetes Phänomen, das wir im Buch als den kollektiven Rückfall von Grün nach Blau enttarnt haben. Da liegt aus unserer Sicht jedenfalls wahrlich wenig Hoffnung auf eine emanzipierte Zukunft eines sozial gesunden Menschen unter Menschen drin.

Und entsprechend zog ja auch das erwartete „Dawning of the Age of Aquarius“ eine frustrierte Generation nach sich, deren Deals nicht aufgegangen waren, die dann vom Steinewerfer der Berliner Maifeiertage zu fettleibigen Außenministern wurden oder als Talkshow-Gast im Fernsehen gerne mal ihre Locken zeigen.


Manchmal ist es einem mitten in der Freude einfach schwer ums Herz.

Womöglich ist das genau der Zustand, der die widersprüchliche Realität unserer Zeit am ehesten repräsentiert.

Möge es dienen.


Im Auftrag Ihrer Majestät


Der blaue Klaus

& das Conscious Evolution Kollektiv




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